Interview mit Sandra Friedrich, Doktorandin an der Universität Regensburg

»Eine viel versprechende Methode, um die Toxizität von Pestiziden zu analysieren«

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Sandra Friedrich, Doktorandin an der Universität Regensburg

Hallo, ich bin Sandra und frisch gebackene Doktorandin im Bereich Bioanalytik an der Uni Regensburg. In meiner Forschung dreht sich alles um Insektenzellen und wie man sie als Sensor verwenden kann, um Pestizide auf ihre Giftigkeit für Insekten zu testen.

Wieso sind „bienenfreundliche“ Pestizide so wichtig für uns Menschen & unsere Zukunft auf der Erde?

Jeder kennt die Diskussion vom weltweiten Bienensterben. Wenn man daran denkt, dass Bienen zu den wichtigsten Bestäubern gehören und in manchen Regionen der Welt schon von Hand bestäubt werden muss, wird die Relevanz von Bienen für den Menschen deutlich. Neben der Produktion von Nahrungsmitteln mit Bienen als Bestäubern sind sie außerdem auch für das gesamte Ökosystem als „Recycler“ von Abfallprodukten und als natürliche Insektizide gegen andere Schadinsekten von Bedeutung.

Was ist das Prinzip deiner entwickelten Sensorik?

Das Grundkonzept basiert auf der Verwendung von Insektenzellen als Sensoren. Aus Insekten isolierte Zellen werden auf planaren Gold-Mikroelektroden wachsen gelassen. Durch Anlegen eines Wechselstroms, der durch die Zellen auf den Elektroden fließen muss, lässt sich die elektrochemische Impedanz – der Widerstand in einem Wechselstromkreis – messen. Je mehr Zellen sich fest an die Oberfläche der Elektroden anlagern (Zelladhäsion), desto höher ist die gemessene Impedanz. Werden die Zellen vor der Messung schädlichen Pestiziden ausgesetzt, die den Zellstoffwechsel verändern, ändert sich in sensitiver Weise auch der Prozess des Anlagerns der Zellen an die Elektroden – sie sitzen lockerer oder gar nicht mehr auf den Elektroden – und damit auch der zeitliche Verlauf der Impedanz. Dieser Effekt kann zur Bestimmung der Toxizität eines getesteten Pestizids verwendet werden.

Was sind die herausragenden Merkmale deiner Messtechnik?

Besonders ist zum einen die hohe Zeitauflösung der Methode, die eine kontinuierliche Verfolgung der toxischen Effekte möglich macht. Zum anderen ist die Technik markierungsfrei und nicht invasiv, die Zellen auf den Elektroden bleiben also unbeeindruckt von der Messung selbst und nur das zugegebene Pestizid verursacht Änderungen im Impedanzsignal.

Welche Erkenntnisse aus deinen Untersuchungen sind besonders spannend oder überraschend?

Das Spannendste ist auf jeden Fall die Möglichkeit, die Zellen auf den Elektroden einzufrieren und dann jederzeit auftauen zu können, wenn ein Pestizid auf seine Toxizität getestet werden soll. So lässt sich der Toxizitätstest ohne vorangehende Zellkulturarbeit oder eine Laborumgebung im Allgemeinen durchführen. Der zellbasierte Biosensor ist nach dem Auftauen der Zellen innerhalb von Minuten testbereit. Überraschend war, dass im Baumarkt frei verkäufliche Formulierungen teils giftiger waren als solche, die nur in der Agrarindustrie verwendet werden dürfen. Auch waren Formulierungen bereits in einem Konzentrationsbereich giftig, der viel niedriger ist, als die vom Hersteller angegebene Konzentration für die Anwendung im Garten.

Welche Anwendungsmöglichkeiten/-felder siehst du in der Zukunft für deine Sensorik?

Durch die Möglichkeit, den gebrauchsfertigen, mit Zellen beladenen Sensor bis zur Verwendung einzufrieren, ist für die Zukunft eine Verwendung vor Ort, also im Feld, mit einem kleinen Gerät, das den Test automatisiert durchführt, möglich. Auch bei der Entwicklung neuer Pestizide kann die Sensorik eingesetzt werden und so schon in einem frühen Stadium eine Einschätzung bezüglich der Toxizität für (nützliche) Insekten geben. Bei einer Weiterentwicklung, also beispielsweise der Verwendung von Zellen aus Wasserorganismen, wäre auch die Untersuchung anderer Proben, wie Wasser- oder Bodenproben, möglich.

Wie verbessert das Projekt unsere Zukunft nachhaltig?

Pestizide sind Teil der Ursache des Insektensterbens. Der Schutz der Insektenspezies vor unspezifisch wirkenden Pestiziden soll unser Ökosystem und dessen Biodiversität schützen Außerdem: Je früher man während der Entwicklung erkennt, dass eine Formulierung giftig ist – und sie deswegen so niemals zugelassen wird – desto früher kann man sie anpassen und desto kostengünstiger und Ressourcen-schonender ist der gesamte Entwicklungsprozess. Auch das ist ein Aspekt der Nachhaltigkeit, den man nicht außer Acht lassen sollte.